Mittwoch, 13. April 2016

Mehr Mut!

In meinem Englischunterricht arbeite ich gern mit unheimlichen Texten, Filmen etc. Ich erhoffe mir davon, dass die Schüler stärker an den Text gebunden werden. Sie wollen wissen, wie es weitergeht, sie wollen das Ende wissen, und sie lesen das Buch auch auf Englisch zu Ende. Das klappt tatsächlich! Es funktioniert in jeder Altersstufe: Guter Horror.

Oft diskutiert wurde jene Zeile, die behauptet: Richtig guter Horror wird nicht gezeigt, sondern findet im Kopf des Lesers/Zuschauers/Spielers statt. Ich stimme dem zu und möchte es an einem Videospiel belegen. Man muss es nicht kennen, um diesen Blogeintrag zu verstehen. Und ich versuche, Spoiler außen vor zu lassen. Der Anlass? Ich habe dieses Spiel heute beendet und ich werde es so schnell nicht vergessen.

Project Zero 2: Crimson Butterfly - nun mag das redundant scheinen, weil ich ja schonmal über den ersten Teil geschrieben habe, dass er unheimlich sei. Aber es soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass der zweite Teil die Standards noch weiter nach oben setzt. Zwei Zwillingsschwestern spielen in einem Wald, am Ort ihrer Kindheit, ein letztes Mal, bevor der Wald für einen Staudamm gerodet werden soll. Mayu - seit einem früheren Unfall hinkend - entdeckt einen roten Schmetterling und folgt ihm, Mio läuft ihr nach. Sie entdecken ein Dorf, in dem ein altes Ritual durchgeführt wurde, um den Groll des Landes zu besänftigen. Nachdem dieses Ritual allerdings einmal gescheitert war, hüllte die Dunkelheit das Dorf ein und es ist zur ewigen Wiederholung des Rituals verdammt.

Mio und Mayu können das Dorf zunächst nicht mehr verlassen, sie müssen mit den Geistern der Hinterbliebenen im Dorf in Verbindung treten. Als Spieler erforscht man dieses Dorf, das tatsächlich in kompletter Finsternis liegt. Glücklicherweise hat man eine Taschenlampe zur Hand und findet bald die Camera Obscura, mit deren Hilfe man sich gegen feindlich gesinnte Geister wehren kann.

Die Spielemacher haben hier ein Meisterstück in Sachen Horror vollbracht - und das, obwohl es noch blutärmer ist als der erste Teil. Das zeigt uns, dass nicht die Menge Blut bestimmt, wie "fürchterlich" und "grauenvoll" gut ein Spiel ist. Der Spieler wird manipuliert, man fühlt sich bedroht, verfolgt, einsam, nach und nach wird eine Grauen erregende Geschichte aufgedeckt. Ich habe mich in einem Kapitel wahnsinnig gefürchtet - das geht mit sogenannten "Jumpscares" ganz einfach, Schrecksekunden, aber das Spiel meistert die Kunst, die entstehende Furcht minutenlang anzuhalten, so dass man als Spieler mehr als einmal erschrocken das Gamepad aus der Hand legen und das Spiel abschalten möchte.

Tut man aber nicht, und warum? Es war tatsächlich so, dass viele Spieler des ersten Project Zero das Spiel aus Angst nicht zu Ende brachten. Daher hat man eine stimmige, engmaschig erzählte Geschichte gesponnen - quasi als Anreiz, trotz aller Furcht vor dem, was da kommen möge, immer weiter zu spielen.

Das ist es, was ich gemacht habe. Im Kopf kreist "Das darf doch nicht wahr sein, das passiert grad nicht wirklich!" - "Ich weiß, es wird haarsträubend, wenn ich dort durch die Tür gehe" - und ich tue es doch. Schade, dass ich es nur einmal zum ersten Mal spielen kann - es steigt die Vorfreude auf den dritten Teil - und das Ende wird mir eine Weile im Gedächtnis bleiben, denn das ist echter Horror.

Ich hätte den Genuss dieser meisterlichen Gruselreihe nie richtig erlebt, wenn mich nicht eine Freundin begleitet hätte - sie ihrerseits mit einem Kissen bewaffnet. Der erste Teil lag jahrelang ungespielt in meinem Regal. Zum Glück habe ich es gewagt, es doch zu spielen.

Mehr Mut!


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