Mittwoch, 24. August 2016

Essen vergessen





Plötzlich sieht die Welt aus wie durch einen Monochrom-Filter gesehen, kurz vor dem Umkippen


...und ich sitze auf dem Sofa und lasse mir von einem zickigen schwebenden Buch den Stinkefinger zeigen, es fliegt davon und davon fliegt auch meine Aufmerksamkeit, ich drehe den Kopf und merke, wie er sich erst Sekunden später mitdreht. Wie ein Effekt im Film, schwierig zu beschreiben. Weiße, graue Knisterlichter, ein Kribbeln in den Armen und Beinen, es ist mal wieder soweit.

Ich habe vergessen zu essen.

Ich weiß nicht, ob das ein hochbegabtes Ding ist oder ob das normalbegabten Menschen auch passiert. Da stecke ich mit meinen Gedanken sonstwo, ein stream of consciousness zieht sich durch die ersten Tage dieser Woche, der in etwa so klingt:

Ohh, der Sommer kommt zurück... endlich wieder etwas Sonne ins Herz lassen... Sommerferien sind etwas Tolles... denk dran, die Kaninchen zu füttern...  (NICHT zu futtern!)... schau mal, da läuft Flo, ich freu mich so, ihn zu sehen... wo ist der Postbote... ich brauche eine neue Melone... lohnt es sich für die restlichen Sommertage noch, die Fenster mit Spiegelfolie zu bekleben... Ja, Herr Wusterbarth, so eine Lebenseinstellung, wie ich sie hab, kennt man eher aus dem Film... nachher noch den Wellness-Blog schreiben... bisschen an der PS4 spielen...

Und dann sitze ich da und klicke mich gerade durch einen Videospiel-Dialog, als plötzlich oben beschriebenes Gefühl auftritt. Okay, der Kreislauf sackt ab. Ich kenne das. Ich habe nicht genug gegessen, daher ist instant-radikal-Zwangsernährung angesagt (Baguettebrötchen mit Leberkäse und dazu Schokodragees anyone?), um den Kreislaufkollaps zu verhindern.

Es ist mir schon öfters passiert, gerade wenn ich mich für eine Sache begeistere, dass mein Gehirn vollkommen auf dieser Schiene fährt und an nichts Anderes mehr denkt. In Freizeitparks zum Beispiel, oder wenn ich ein neues Videospiel starte. Meine ganze Aufmerksamkeit gehört dem Moment, alles Andere ist unwichtig. So auch Essen. Das wird dann zur Nebensache, Zeitverschwendung, wie auch immer.

Und manchmal provoziere ich das ja auch bewusst. In den Phasen, in denen ich asketisch lebe (@Holzdorf: Es fühlt sich *wirklich* erstaunlich an), gerät Essen in den Hintergrund. Glücklicherweise habe ich daraus gelernt, und somit stellen diese Kreislauftiraden keine Bedrohung mehr dar. Ich weiß, wenn die weißen Sternchen kommen, wenn der Kopf bei schnellen Drehungen langsam hinterherwabert, dann sollte ich sofort etwas essen. Auch wenn es dauert und wertvolle Zeit kostet. Schutzmechanismus.

Liebe Eltern, die Ihr das lest, Ihr kennt das ja und Ihr kennt mich ja. Es ist tatsächlich so, ich kann nichts dagegen machen. Aber keine Sorge, ich habe für solche Fälle immer etwas zu Essen und Trinken im Haus. Und keine Sorge, mir geht es gut. Ich hatte das Erlebnis heute mal wieder, aber seid versichert, ich kann damit gut umgehen. Ich kenne meinen Körper mittlerweile ein bisschen.

Ich könnte mir vorstellen, dass es tatsächlich mit der Hochbegabung zusammenhängt - Essen ist manchmal irrelevant, unwichtig, Nebensache. Das vergisst man man gern mal.

Natürlich könnte ich jetzt den ursprünglich geplanten Blogeintrag einfach hier dranhängen. Aber der läuft ja nicht weg, wir haben keine Eile, und ich möchte, dass der seine verdiente Bühne bekommt. So, und jetzt hab ich Schluckauf vom schnellen Reinstopfen.

post scriptum: MEDITATIONSKILLER!!! Ich liege wie gewohnt nackt und vollkommen regungslos auf meiner Liegewiese. Nach etwa zehn Minuten feinster Musik drifte ich in tiefere Gedankenreisen ab. Es wirkt, als würde ich meinen Körper verlassen ("out of body experience"). Ich genieße die Meditation, finde innere Ruhe. Ich spüre jeden Lufthauch, der über meinen Körper streift, ein prickelndes Gefühl, wenn sich ein Schweißtropfen bildet und herunterläuft. Prickelnd und kühlend. Ich verharre bewegungslos. Doch da! Was verspüre ich da auf meinem Körper? Ich kann es nicht genau ausmachen. Ein nicht einzuordnendes Kribbeln im Lendenbereich (packt Eure versauten Gedanken weg!), scheinbar irrational - es ist eine Fliege im Zimmer. So eine Scheiße. Die ganze Konzentration, sie ist dahin. Die Bewegungsmuster der Fliege sind unberechenbar und deswegen kann ich nicht einfach weiter meditieren. Zum Glück ließ sich das Problem schnell lösen und es war erst der Anfang der Meditation. Ich hasse es, wenn die tiefe Stille unterbrochen wird.

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