Freitag, 31. März 2017

Geisteskrank

Auch eine Thalia wurde mit reichlichen Selbstgesprächen geprobt (die ist allerdings wirklich geisteskrank)

Früher wurde es als Symptom einer Geisteskrankheit erachtet, wenn ein Mensch Selbstgespräche führte. Mittlerweile sind wir im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, da hat man einen Knopf im Ohr oder wie auch immer - man telefoniert mit jemandem, und Außenstehende sehen gar nicht mehr das Telekommunikationsmedium. Man hat sich daran gewöhnt, dass Menschen durch die Stadt laufen und scheinbar mit sich selbst sprechen.

Ich spreche öfters mit mir selbst, wenn ich allein bin. Ein schönes Beispiel ist das rehearsal, zu deutsch "Probe". Wenn ein Gesprächstermin ansteht, egal welcher Anlass, egal, wie viele Beteiligte, dann male ich mir vorher im Kopf alle möglichen Szenarien aus, wie sich das Gespräch entwickeln könnte. Als Absicherung, weil ich es nicht mag, im Gespräch überrascht zu werden.

Um ein konkretes Beispiel zu geben, mit dem sich vielleicht auch KollegInnen identifizieren können: Die Schulleitung hat Gesprächsbedarf angemeldet, "Dr Hilarius, wir müssten mal über den Arbeitsvertrag reden, Montag in der dritten Stunde hast du frei, kommst du dann ins Büro?" - Natürlich, kein Problem, und das Wochenende vor dem Montag nutze ich und male mir mehrere verschiedene Szenarien aus, mit dem Ziel, alle möglichen Szenarien dann schon einmal gesehen zu haben. Wie gesagt, ich mag keine Überraschungen. Wenn ich alle Szenarien durchgespielt habe und im Kopf abgespeichert, dann gibt mir das gedankliche Klarheit und Ruhe. Dann kann auch etwas Schlimmes oder Unangenehmes anstehen, ich habe Seelenruhe. Nächsten Mittwoch ist die Operation, und natürlich bin ich sie im Geiste schon mehrmals durchgegangen, mit variierenden Ärzten und Medikamenten und Erfolgen/Misserfolgen.

Aber wir bleiben bei dem schulischen Beispiel. In all diesen Szenarien, die ich mir ausmale, lege ich ja auch mein eigenes Verhalten fest, wie ein Drehbuch, das ich vorher schreibe - was auch erklärt, warum ich manchmal Probleme habe, mit der Situation klarzukommen, wenn sich jemand nicht an mein ausgemaltes Drehbuch hält. Wir haben in diesem Drehbuch natürlich auch gesprochene Texte. Ich lasse die Schulleitung in Gedanken reden; meine Antworten spreche ich laut aus. Warum? Um meine Stimme zu hören, meine Intonation zu überprüfen. Welche Wörter möchte ich besonders betonen? Immer mit dem Ziel im Kopf: Was möchte ich erreichen? Ich wiederhole die Sätze auch mal, moduliere die Sprache ein wenig. Mimik und Gestik probe ich auf diese Weise natürlich auch. Es muss alles perfekt sein.

Selbst wenn ich gerade etwas Anderes mache, habe ich diese rehearsals. Beim Backen, beim Duschen, selbst wenn ich mich intensiv in ein Videospiel vertieft habe, kann es vorkommen, dass ich eine kleine Szene probe.

Geisteskrank? Nein, das hat Methode, nennt sich Method Acting und ist für mich ein herrliches Training. Was ich trainiere? Menschen zu manipulieren, um meine Ziele zu erreichen. So ist es nun mal.

post scriptum: Und, wie schon oben erwähnt, diese Proben beruhigen mich, nehmen mir die Angst vor Konfrontationen, und das hat mir schon sehr viel Gutes gebracht.

post PS scriptum: Eben bei der Tagesschau wieder gehört: "Triologie" - da krümmt sich bei mir alles zusammen!

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