Montag, 14. August 2017

Glücklich durch Chemie


Ich denke mal, ein nicht kleiner Teil der Leser wird bei dieser Überschrift an Drogen denken. Um die geht es allerdings erst in zweiter Instanz: Es geht darum, wie Glücklichsein funktioniert, anhand von Serotonin (gibt natürlich auch noch Dopamin, aber ich möchte diesen Artikel kurz halten). Ich möchte ein bisschen aufklären, weil ich selbst das ganz spannend fand - was wiederum bedeuten könnte, dass es für Normalbegabte langweilig ist.

(Im Kopf der großen Buba läuft jetzt Tetris-Musik, das passiert immer, wenn ich abhebe und irgendwelche Sachverhalte erkläre, die sie nicht versteht - und das passiert regelmäßig, weil ich nie weiß, wo die Grenze zwischen "Normalwissen" und "Spezialwissen" ist - hat mein Lateinmentor im Ref innerhalb einer Woche sofort bemerkt.)

Ich bin weder Arzt, noch Chemiker; alles, was ich hier schreibe, ist mit einem gesunden Misstrauen zu goutieren. 

Ich mache gern Dinge, die mir Spaß machen. Achterbahn fahren, Videospiele, Rätsel lösen, Musik hören. Was heißt das eigentlich, "die mir Spaß machen"? Was passiert da im Gehirn? Warum bin ich nach einer Achterbahnfahrt glücklicher als vorher? Ich benutze in diesem Artikel den Begriff Happy Event (HE). Eine Achterbahnfahrt ist für mich ein HE - das bedeutet aber nicht, dass es für alle Menschen so ist, manche empfinden ein Grauen davor (und ich muss immer wieder darauf achten, nicht von mir auf Andere zu schließen).

Für meine Mutter ist ein Gang durch ihren Garten ein HE, für meinen Vater eine Zigarre am Abend. Es ist auch ein HE für mich, wenn ich ein besonders kniffliges Rätsel gelöst habe. Dann wird im Gehirn Serotonin freigesetzt. Machen wir es bildlich: Die Serotoninspeicher sind Körbe mit Tennisbällen, die Tennisbälle sind das Serotonin. Bei einem HE wird der Korb umgekippt und das ganze Serotonin rollt durch die Gegend: Wir sind glücklich.

Irgendwann merkt aber der Hausmeister, dass die Tennisbälle überall herumliegen, und er sammelt sie nach und nach ein und legt sie in den Korb zurück: Die Euphorie legt sich. Und das ist auch gut so! Wenn nämlich das Serotonin nicht in die Speicher wiederaufgenommen würde, wäre ich zwar glücklich, dauerglücklich sogar - aber der Zustand würde zur Normalität werden und ich würde es nicht mehr als glücklich empfinden.

Dieser Tennisball-Kreislauf kann aber aus unterschiedlichsten Gründen gestört sein. Zum Beispiel räumt der Hausmeister viel zu schnell auf und die Euphorie hält nur für einen kurzen Moment. Oder aber der Korb kann gar nicht erst umgekippt werden. Dann bleiben die Tennisbälle drin und man freut sich gar nicht erst über ein HE. Bei Menschen mit Depressionen können solche Störungen im Serotoninsystem vorliegen.

Zum Glück ist die Medizin einen guten Schritt weiter gekommen. Es gibt eine Vielzahl an serotonergen Substanzen, die in das Serotoninsystem eingreifen (Herr Leinhos weiß natürlich, dass sich das "-erg" vom griechischen érgon ableitet). So gibt es zum Beispiel sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors - SSRI). Sie bewirken, dass die Tennisbälle nach einem HE nicht so schnell wieder in den Korb gelegt werden können. So schafft man es - je nach Substanz über einen längeren Zeitraum - das Glücklichsein zu erzeugen bzw. verlängern. Solche Substanzen werden als Antidepressiva (AD) bezeichnet.

Leider haben ADs keinen guten Ruf. Die Menschen wollen ohne Chemie klarkommen, sie wollen keine Medikamente nehmen. Aus persönlichen Gründen, denn mit Sachlichkeit hat das nichts mehr zu tun. Und damit ist nicht zu spaßen: Der amerikanische Autor David Foster Wallace (Infinite Jest) hat nach Jahren, in denen er ADs genommen hat, das Medikament abgesetzt. Die Depressionen sind zurückgekommen, und zwar so stark, dass er sich das Leben genommen hat.

Also, eigentlich wollte ich mit diesem Beitrag nur darauf aufmerksam machen, dass Glücklichsein genaugenommen eine Abfolge von chemischen Reaktionen ist. Ich finde das faszinierend.

Und bei der großen Buba läuft gerade wieder Tetris.

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