Donnerstag, 29. März 2018

Drei Sch(w)ulgeschichten

Was man als Lehrer so alles über die Jahre erlebt...

1. Fünfzehn Minuten Ruhm

"Ich finde deine mündliche Mitarbeit gut, du beteiligst dich aktiv und ich hoffe, dass du auch so weiter machst. Das finde ich deswegen gut, weil ich gehört hab, dass ein paar deiner Mitschüler auf dir rumhacken. Das hat mich nämlich an eine Geschichte erinnert, und zwar hatte ich mal einen Schüler, das müsste auch so neunte... nein, achte Klasse war das. Der war ziemlich intelligent, traute sich aber nicht, das zu zeigen, weil er dann als Streber beschimpft wurde. Er wusste alle Antworten, konnte das alles, aber wollte keine Angriffsfläche für's Mobbing bieten. Aber sie hatten ihn rausgepickt, weil er mit den Mädchen besser klar kam als mit den Jungs, das war komisch, und er war ein bisschen sensibel, und sie bezeichneten ihn als Schwuchtel. Das hat ihn echt verletzt, und er wusste auch nicht, warum sie das machen, er wusste nicht, ob er selbst etwas falsch macht und ob er etwas ändern sollte. Bis zur zehnten Klasse haben sie auf ihm rumgehackt, im Sportunterricht geschubst, härter angegangen als andere und es war eine grauenhafte Zeit für ihn. Vielleicht kennst du das. Vielleicht kannst du dich damit ein bisschen identifizieren. Dieser Schüler damals... ... ...das war ich. Und ich habe es gehasst, ich habe unter dem Mobbing echt gelitten. Ich erzähle dir diese Geschichte nicht einfach nur so. Denn ich hab gehört, dass sie dich auch Schwuchtel nennen. Und du kennst all' das... ... Andy Warhol hat einmal gesagt, dass jeder Mensch irgendwann seine fünfzehn Minuten Ruhm hat. Irgendwann ist jeder ein Star, kann glänzen, kann seine Stärken zeigen, ohne dafür gehasst zu werden. Mir ging es auch so. Und dir wird es auch so gehen. Irgendwann kommt der Moment, an dem du deine Stärken ausleben kannst, an dem du ganz du sein darfst. Ich möchte dir dafür den Rücken stärken. Und deswegen finde ich es toll, dass du dich nicht unterkriegen lässt, auch wenn sie dich Schwuchtel nennen und dich ärgern. Bleib am Ball, deine Zeit wird kommen, und ich finde, dass du ein intelligenter, toller junger Mann bist, lass' dir von niemandem etwas Anderes einreden. Okay?"

2. Der Zusammenhang

"Aber diese Vokabel bedeutet doch eigentlich etwas ganz Anderes, wieso übersetzt man das hier denn so?" - "Naja, es kommt immer auf den Zusammenhang an, in dem die Vokabel steht. Ganz einfaches Beispiel: Hin und wieder sage ich zu meiner besten Freundin "Du Fotze!" - ohne dass ich das böse meine, im Gegenteil. Das ist dann keine Beleidigung, unter uns ist das witzig gemeint und das versteht sie auch so." Mädchen schauen sich an, Augen leuchten auf, Lächeln. "Ihr kennt das doch. Fotze, oder Schlampe, oder Bitch. Und genau so kann ein lateinisches Wort in einem anderen Textzusammenhang eine ganz andere Bedeutung haben." - "Ahhhhh! Jetzt macht das Sinn!"


3. Iiiieeehhh!!! 

Sechste Klasse, Intensivierung mit einer reinen Mädchengruppe. Black Stories gehen im Englischunterricht immer. So kann man wunderbar üben, Fragen zu stellen, und die Schüler zum Englischreden bringen, großartig. Two men are playing chess. The winner picks up a gun and shoots himself. Why did he do that? "Ääähhhmmm, maybe there was a backstory, maybe the mens had eine, wie sage ich das, Beziehung miteinander?" "Iiiieeehhh!!!" tönt es aus der ersten Reihe. "Nanu, Trulla, warum sagst du denn iieeehhh?" - "Naja, weil das voll eklig ist." - "Das verstehe ich nicht, das musst du mir erklären." - "Naja normalerweise sind doch Mann und Frau zusammen und das ist doch total eklig, wenn zwei Männer zusammen..." - von der rechten Seite widerspricht eine Mitschülern: "Das ist überhaupt nicht eklig. Das kommt Dir nur so vor, weil du das noch nicht kennst, aber eigentlich ist das voll in Ordnung!" Sechste Klasse. Meine Augen leuchten.

post scriptum: The two men were on a sinking submarine and their oxygen was running out. They knew they had to die, but there was only one bullet left in a revolver. So the two men played a game of chess: The winner was allowed to shoot himself and die a quick death, while the other one had to die slowly and painfully...

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