Dienstag, 19. April 2016

Bürokratiergehege

Werte Menschen (und solche, die es noch werden wollen),

gestern hat es doch tatsächlich jemand gewagt, mir zu unterstellen, ich verwandelte jede noch so unsinnige Sache in ein literarisches Erlebnis. Mein erster Gedanke war, naja, nur wegen dieses Blogeintrags? Dann ist mir eingefallen, dass ich ja auch noch diesen ungewöhnlichen Liebesbrief verfasst hatte. Naja, aber warum auch nicht, wenn es doch Spaß macht, und wenn ich damit den einen oder anderen geneigten Leser unterhalten kann, wunderbar. Und wenn ich ihn in einer schwierigen Phase damit zum Lachen bringen kann, noch wunderbarer!

Das erinnert mich wieder an Roller Coaster Philosophy und seine teils sehr philosophischen Analysen von Achterbahnen. Zu The Beast in Kings Island hat er hier eine wunderbare, seitenlange Abhandlung geschrieben mit einem tatsächlichen literarischen Interesse. Ich habe mir vorgenommen, dass ich so etwas für den Schwur des Kärnan machen werde, ich freue mich schon drauf, allerdings muss das noch warten, bis die Thematisierung auf der Zielgeraden angekommen ist.

Das Wort "Bürokratiergehege" schoss mir heute durch den Kopf, als ich die Gablenzbrücke überquerte, auf dem Heimweg vom Arbeitsamt. Denn natürlich muss der kleine Nebenverdienst angemeldet werden, denn davon darf ich nur 165€ zusätzlich zum ALGI behalten. Also bin ich mit dem Formular "Änderungsmitteilung" zur Agentur für Arbeit Kiel getingelt. Und ich denke mir, okay, jetzt habe ich meinen Papierkram erledigt, ich habe den Zettel bei der netten Empfangsdame abgegeben, sie hat meine Akte aktualisiert - welch schöne Alliteration!

Sie tackert da mit ihren geübten Fingern mit gefühlten 250 Anschlägen pro Sekunde (klingt wie ein erklärtes Ziel des IS) über die Tastatur, klopft mit *PUFF* einmal auf die Enter-Taste; das wirkt fast wie Magie! Will ich auch können! Aber nein, das können nur die Insassen des Bürokratiergeheges - weil sie nämlich nichts Anderes tun. Formulare ausdrucken, austeilen, aussortieren, einspeisen, einsammeln, einbehalten, abheften, abgeben, ablochen (ich sag nur Trikolon³). Und so druckt sie eine Seite nach der anderen aus - neue Formulare. Mein Lebensmut sinkt... heute nicht, ich nehme die Zettel mit und weiß, dass da wieder ein spannendes Hinterhertelefonieren auf mich wartet.

Ich brauche die Bescheinigung über die Nebeneinkünfte für jeden Monat einzeln. Also dreimal zwei Seiten, die ich mit einem schönen Anschreiben an das Bildungsministerium schicken werde. Dort ist mein Personalbearbeiter, der schickt es dann weiter an das Finanzverwaltungsamt, denn das ist mein Lohnbearbeiter. Dann endlich geht es an das Arbeitsamt. Terminiert bis Mitte Mai - na super. Ich mach dicht. Sobald ich das Schreiben an das Bildungsministerium abgeschickt habe, ist das nicht mehr mein Problem.

Ich lasse es nicht zu, dass ich zu einem neuen Insassen des Bürokratiergeheges werde!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen