Mittwoch, 25. April 2018

Sie läuft... und läuft... und läuft...

Das wird tatsächlich an US-Schulen verwendet.

Ich arbeite im Unterricht gern mit Filmen und Serien. Das war schon immer so. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es von der Schulform abhängen kann, ob man damit Erfolg hat. Meine Erfahrungen mit Serien an Gemeinschaftsschulen waren sehr gut. So gut, dass ich z.B. in St.Peter-Ording eine der Englischstunden pro Woche benutzt habe, um mit der Klasse eine Folge Are You Afraid Of The Dark? zu schauen. Wenn man die richtigen Filme oder Serien findet, kann man Schüler damit manchmal besser und viel nachhaltiger erreichen als mit einer normalen Unterrichtsstunde. In SPO und NMS habe ich dafür sogar von Eltern positives Feedback bekommen.

An der Kieler Gelehrtenschule mache ich das nicht mehr. Hier wird sehr großer Wert auf die Einhaltung des Lehrplans und vor allem auf ordentliche Stoffprogression gelegt. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, deswegen mache ich es nicht mehr. Ich muss aber zugeben, mir fehlen die Stunden mit AYAOTD? (bzw. in der Oberstufe dann The Twilight Zone).

Und dennoch. Ein Film, den ich seit sieben Jahren immer mal wieder in der Schule verwende, ist Tom Tykwers Kunststück Lola rennt (1998). Zunächst einmal ist der Film handwerklich kreativ und einwandfrei, so hat Roger Ebert in seiner Rezension geschrieben: "The director, a young German named Tom Tykwer, throws every trick in the book at us, and then the book, and then himself." Dass Tykwer ein Talent für Regie hat, davon hat mich vor einiger Zeit insbesondere Cloud Atlas überzeugt (und zwar hier und hier). Ich habe Lola rennt je nach Lerngruppe auf unterschiedlichste Arten präsentiert. Mal habe ich ihn vorentlastet, habe ein bisschen über Tykwer erzählt, habe den Plot grob umrissen oder bereits auf die besondere Struktur des Films verwiesen (dass nämlich derselbe Durchlauf dreifach mit leichten Veränderungen gezeigt wird). Manchmal habe ich die Schüler auch vollkommen unvorbereitet darauf losgelassen.

Da ich zur Zeit an einer Schule mit einem hohen Anteil an überdurchschnittlich intelligenten Kindern unterrichte, wollte ich einen Versuch wagen. So habe ich einer neunten Klasse in einer Abschiedsstunde erzählt: "Ich möchte mit euch einen Film schauen. Das ist interessant, denn es ist ein FSK16-Logo darauf. Das liegt aber nicht daran, dass zuviel Gewalt oder Sex im Film vorkommt, sondern dass man der Meinung ist, dass ihr unter sechzehn Jahren noch nicht die nötige Reife besitzt, um diesen Film zu verstehen und wertzuschätzen. Das würde ich gern einmal testen und euch damit herausfordern, also haltet Schreibzeug bereit."

Okay, die 16er-Freigabe liegt gar nicht am Film selbst, sondern am Bonusmaterial auf der DVD. Aber es war ein guter Aufhänger, um die Schüler etwas neugieriger und aufgeschlossener herangehen zu lassen - denn ich habe auch schon sehr ernüchternde Unterrichtserfahrungen mit dem Film gemacht. Diese neunte Klasse allerdings hat mir bewiesen, dass sie schon einiges verstehen; zumindest ein paar Schüler konnten erkennen, dass es in dem Film um den Schmetterlingseffekt geht, mehr aber noch um das Schicksal und ob bzw. wie man als Individuum darauf Einfluss nehmen kann. Da das Ganze in einem Latein-Kontext stattfindet, fielen natürlich die Begriffe fatum und praedeterminatio, und wir konnten darüber einen kleinen Moment diskutieren - dann war die Doppelstunde leider zu Ende. Dass aber auch nach Stundenschluss noch eine Schülerin zu mir gekommen ist und sich mit mir über die Deutung des Films unterhalten hat, hat mich ebenso gefreut, wie es mich beeindruckt hat, dass zwei Schüler Parallelen zu Groundhog Day oder sogar zu Capras It's A Wonderful Life ziehen konnten. Sie mögen nicht auf Kieszlowskis Blind Chance gekommen sein, haben sich aber für eine neunte Klasse als teilweise sehr reif geoutet und das war ein schönes Erlebnis für mich.

Und deswegen wird Lola immer weiter rennen...

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